Brandenburgs Wälder: Veränderungen durch Klimawandel und Forstwirtschaft

In letzter Zeit häufen sich Berichte über die schlechte Situation unserer Wälder. Manchmal ist sogar von einer Katastrophe die Rede. Der Klimawandel wird schnell als Ursache identifiziert. Dabei sind die Veränderungen, die wir jetzt wahrnehmen, nur die Konsequenz einer holzertragsorientierten Forstwirtschaft der letzten Jahrzehnte. Vergleichbar mit der Intensivierung der landwirtschaftlichen Nutzung verursacht die Forstwirtschaft gravierende Schäden an unseren Ökosystemen.

Unsere Wälder, wie wir sie heute kennen, entsprechen oder ähneln überwiegend Plantagen. Sie entstehen durch die Anpflanzung weniger Arten. Oft sind es gleichaltrige Monokulturen. Mit einem hochkomplexen Waldökosystem haben sie nicht mehr viel gemeinsam. Marcel Reich-Ranicki würde sagen „Das ist kein kranker Wald, das ist gar kein Wald.“ Insbesondere die Plantagen und die intensiv genutzten Wälder sind hoch empfindlich gegenüber zahlreichen Umweltfaktoren. Dabei fehlen fast allen Wäldern einheimische Arten und alte Baumriesen, wie wir sie von Überlieferungen kennen. Ein gutes Beispiel ist die alte Eiche am Bohnenländer See, die etwa 600 Jahre alt wurde.

Bereits in meiner Schulzeit zum Beginn der 1980er Jahre benutzten wir im Biologieunterricht den Wissensspeicher Biologie (Volk und Wissen Volkseigener Verlag Berlin 1979 3. Auflage), in dem im Abschnitt Ökologie ab Seite 307 die Grundlagen der Ökologie beschrieben wurden. Nach meinem Kenntnisstand ist dieses vermittelte Wissen bis heute gültig. Und mit Sicherheit ist dieses Wissen nicht hinreichend, Ökosysteme wie unsere Wälder erfolgreich zu managen. Aber es ist eine Voraussetzung, die von der Forstwirtschaft ignoriert wird. Eine weitere Voraussetzung besteht darin, die große vorhandene Wissenslücke durch Forschung zu schließen. So lange uns viele Zusammenhänge unbekannt sind, ist der Eingriff, wie er durch die Forstwirtschaft praktiziert wird, grob fahrlässig und hoch risikobehaftet. Wir können dies an den Waldbränden, am Borkenkäferbefall, am Artenschwund und an den Sturmschäden erkennen.

Und nun zurück zum Klimawandel. Natürlich hat der Klimawandel auch auf intakte Wälder einen Einfluss. Artenreiche Wälder in denen alle Entwicklungsstufen der Bäume vom Sämling bis zum Totholz vorkommen, erweisen sich als widerstandsfähiger. Sie sind in der Lage sich anzupassen und zu regenerieren. Diese Fähigkeit ist ein Ergebnis der Evolution und im Erbgut der unzähligen Lebewesen verankert. Allein wären die Trockenheit und die hohen Temperaturen der vergangenen Jahre nicht in der Lage, das Ökosystem Wald aus dem Gleichgewicht zu bringen. Vielmehr sind es die Art und Weise der Bewirtschaftung der Wälder und der angrenzenden Areale. Vitalitätsmindernd wirken die Anpflanzung nichtstandortheimischer Bäume, das Versauern der Böden, Stickstoffeinträge aus der Landwirtschaft, Entwässerung, Monokulturen, Plantagenwirtschaft, Wildfütterung und Pestizideinsatz. Ergänzt wird diese Liste in Brandenburg durch Kiefernplantagen, die anfällig sind für Waldbrände.

Des Weiteren geht der Einsatz schwerer Erntemaschinen einher mit der Verdichtung der Böden und weiteren schweren Schäden am Ökosystem. Kein Chirurg käme auf die Idee, eine OP mit einer Heckenschere auszuführen. Bei der Bewirtschaftung unserer Wälder sieht es hingegen anders aus. Obwohl hinreichend bekannt ist, wie nichtstandortheimische Bäume, dazu gehören zum Beispiel Roteiche, Fichte, Douglasie und Robinie, die Artenvielfalt reduzieren und die Wälder schwächen, werden sie als Teil der Lösung betrachtet und weiter gepflanzt. Die Vitalität und Widerstandsfähigkeit, die gerade jetzt zur Minderung der Auswirkungen des Klimawandels von großer Bedeutung ist, wird weiter gemindert. Erst kürzlich haben 11.000 Wissenschaftler vor einem weltweiten Klimanotstand gewarnt und einen besseren Schutz von Ökosystemen wie Wälder und Moore gefordert.

Der Zustand des Waldes wird immer noch an dem gemessen, was wir wahrnehmen. Das wichtige und hochkomplexe Leben im Boden wird wenig oder gar nicht betrachtet. Die darin lebenden Kleinstlebewesen, Pilze und Mikroorganismen sind wesentlicher Teil eines Kreislaufes, in dem auch Totholz wichtige Funktionen besitzt. Es ist wie der Boden Lebensraum unzähliger Arten. So zum Beispiel verringert es nach einem Brand die Verdunstung von Wasser und schützt die kleinen Baumsämlinge. Die Störung einer Komponente dieser komplexen Lebensgemeinschaft reicht aus, um das Gesamtsystem zu schwächen.

Intakte Wälder sind nicht nur in der Lage die Auswirkungen des Klimawandels zu reduzieren. Dadurch, dass sie selbst große Mengen Kohlenstoff speichern, der Atmosphäre CO2 entziehen und Wasser verdunsten, nehmen sie direkt Einfluss sowohl auf das lokale als auch auf das globale Klima. Ein Lösungsansatz könnte darin bestehen, dem Holzertrag andere Ökosystemleistungen wie Lebens- und Erholungsraum, CO2-Speicher, Staubfilter, Klimaanlage, Artenvielfalt und Wasserspeicher gleichzustellen, möglicherweise sogar unterzuordnen.

Solange wir die Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Arten nicht verstanden haben, sollten wir unsere auf Holzertrag ausgerichtete Bewirtschaftung zu Gunsten von Wildnisflächen einschränken. Nur so können unsere Wälder sich erfolgreich dem Klimawandel anpassen. Wir brauchen nur Geduld und etwas mehr Demut. Bis aus einer Plantage oder aus einem Kahlschlag ein Wald wird, können nun mal Jahrhunderte vergehen. Dabei sollten wir das großflächige Baumsterben nicht nur als Chance sehen, sondern auch als Pflicht, die Fehler der Vergangenheit zu korrigieren, zum Wohle anderer und für uns selbst.