Bodenverdichtung, Streusalz, Luftverschmutzung und hohe Umgebungstemperaturen machen unsere Innenstädte für Bäume schon längere Zeit zu schwierigen Standorten. Zunehmende Versiegelungen durch Wohnungs- und Straßenbau, die Änderung von Niederschlagsmustern und Hitzewellen in den Sommermonaten verschlechtern die Situation zusätzlich.
Regelmäßig berichten die Medien darüber, dass unsere einheimischen Baumarten diesen Stressfaktoren nicht mehr gewachsen sind. Exotische Arten wie die Manna-Esche (auch Blumen-Esche genannt) oder der Amberbaum sollen zukünftig für Grün in den Innenstädten sorgen. Dabei besitzen die nichtheimischen Arten keine günstigere Prognose und sind für den effektiven Artenschutz völlig ungeeignet.
Nach der Anwendung eines Risiko-Management-Ansatzes, der auch Auswirkungen auf die biologische Vielfalt analysiert, besteht keine Notwendigkeit für die Verwendung von nichtheimischen Arten. Im günstigsten Fall bleiben die Potentiale für den Erhalt der biologischen Vielfalt nur ungenutzt. Häufig unterstützen die Exoten aber den Artenrückgang. Einige von ihnen verfügen sogar über ein Invasionspotential. Sie verdrängen durch ihre selbständige Ausbreitung einheimische Pflanzen- und Tierarten.
Natürlich gibt es Exoten, die von einigen Tierarten als Lebensraum angenommen werden. Dabei denke ich gerne an die 1970er Jahre. In den Sommerferien beobachtete ich die vielen Schmetterlinge, die die exotischen Sommerflieder und die für die Havelregion charakteristischen Kräuterwiesen am Wendseeufer besuchten. Die Sommerflieder gibt es immer noch. Die Schmetterlinge und die Kräuterwiesen sind fast verschwunden. Wohin die Verbreitung exotischer Arten führen kann, sehen wir an vielen Stellen im Stadtgebiet von Brandenburg an der Havel. Viele Grünflächen enthalten weniger als 1% einheimische Sträucher.
Leistungsfähige Ökosysteme nehmen eine Schlüsselfunktion zur Kompensation der Auswirkungen des Klimawandels ein. Bei der Auswahl exotischer Baumarten übersehen wir regelmäßig , dass Bäume wesentliche Bestandteile dieser hochkomplexen Systeme sind. Viele Wechselwirkungen und Zusammenhänge sind noch unbekannt. Langzeitstudien fehlen. Somit wird das Auswechseln der integrierten Baumarten schnell zu einem riskanten Glücksspiel. Die Spätblühende Traubenkirsche und die Robinie sind zwei exotische Arten, die in unserer Havelregion in den letzten Jahrzehnten natürliche Ökosysteme messbar geschwächt haben.
Nicht nur die Auswirkungen des Klimawandels zählen zu den Stressfaktoren, sondern ebenso Investitionen ohne erkennbare geschäftliche Rechtfertigung. Dazu gehören Investitionen im Zusammenhang mit einer Baumpflanzung oder Baumpflege, die nicht benötigt werden, aber in der Lage sind, die Vitalität der Bäume zu schwächen.
Ein weiterer Aspekt ist die regionale Vielfalt. Am Altstädtischen Markt präsentieren wir nach der Bepflanzung mit 6 Manna-Eschen eine Vielfalt, die charakteristisch für den östlichen Mittelmeerraum ist. Am Molkenmarkt pflanzten wir Amberbäume aus Nordamerika. In den Parkanlagen stellen wir mit der Lorbeerkische die Botanik von Kleinasien zur Schau. Warum können wir die Grünflächen nicht nutzen, um unser Havelland zu präsentieren? Ist es für die touristische Werbung zu unattraktiv? Wäre die biologische Vielfalt noch im Überfluss vorhanden, wären einige Exoten in den Gärten gar nicht problematisch. Wir erleben zurzeit aber einen unglaublichen Artenschwund. Und wir lassen es immer noch zu, dass der Anteil der nichtheimischen Pflanzenarten signifikant dazu beiträgt.
Die schwierigen und unterschiedlichen Standortbedingungen innerhalb von Städten sollten bei der Artenauswahl immer ausreichend berücksichtigt werden. Am Altstädtischen Markt wurden bereits vor Jahren Manna-Eschen gepflanzt. Die geringe Vitalität dieser Bäume kann als Anzeichen für eine fehlende Standorteignung gewertet werden. Dennoch pflanzten wir in diesem Jahr weitere 6 Manna-Eschen. Durch die mechanische Begrenzung des Wurzelbereiches auf einen Durchmesser von 2 Meter verlieren die Bäume gemäß dem Kraftkegelmodell ab einem Stammdurchmesser von 25 cm zunehmend an Standstabilität. Das verwendete Pflanzsubstrat wird zwar kurz- bis mittelfristig eine vitalitätfördernde Wirkung auf die Bäume ausüben, die Versiegelung durch Pflastersteine bis fast an den Stamm heran, bewirkt jedoch das Gegenteil. Die an die Stämme gebundenen Säcke versorgen in den Sommermonaten die Bäume mit Wasser. Da die Blätter grün bleiben, vermittelt der visuelle Eindruck Vitalität. Für uns unsichtbar kann jedoch die Feuchtigkeit in Stammnähe das natürliche Wurzelwachstum beeinträchtigen. Die Auswirkungen sind eine verminderte Standstabilität und eine Abhängigkeit von künstlicher Bewässerung.
Das Pflanzen exotischer Gehölze sollte immer das letzte Mittel sein oder sogar ausgeschlossen werden. Bevor wir nichtheimische Arten verwenden, können wir die vorhandenen Potentiale nutzen: Der Verzicht auf vitalitätsmindernde Maßnahmen kombiniert mit der Palette der vitalitätsfördernden Maßnahmen führt zu einem besseren Baumwachstum, einer längeren Lebensdauer und dadurch zu mehr Ökosystemleistungen, von denen schlussendlich wir profitieren.
Beispielliste der Bedrohungen, die im Zusammenhang mit Baumpflanzungen/-pflege stehen und Wirkung auf die biologische Vielfalt und die Baumvitalität besitzen
- Verwendung gebietsfremder Straucharten
- Verwendung gebietsfremder Baumarten
- Versiegelungen im Kronenbereich (Schotter, Stahlplatten, Kunstharz, Rindenmulch, Pflasterung)
- Konkurrierende Bepflanzung (Zwergmispel, Mahonie, Kirschlorbeer)
- Wassersäcke in Stammnähe
- Wassermangel durch Versiegelung
- Wassermangel durch geänderte Niederschlagsmuster
- Erfolgreiche Lobby-Arbeit für die Verwendung exotischer Baumarten
- Unzureichendes Expertenwissen
- Unzureichende Definition von Werten, aus denen strategischer Ziele der Stadtplanung abgeleitet werden können
- Unzureichende Anwendung eines Risiko-Management-Ansatzes
- Unzureichender Prozess zur Qualitätssicherung
- Unzureichender Prozess zur Akzeptanz und zum Schutz von Sämlingen
Beispielliste für Maßnahmen zur Änderung des Risikos ohne Zuordnung zur Bedrohung
- Strategische Ziele definieren, die sich am Schutz der regionalen Vielfalt und am Gesundheitsschutz orientieren
- Verwendung gebietsheimischer Gehölze (Sträucher und Bäume)
- Ausreichend große unversiegelte Baumscheiben (Grundsatz: Baumscheiben so groß wie möglich – Versiegelungen nur so viel wie wirklich nötig)
- Nicht konkurrierende Kräuterbepflanzung, natürliche Laubschicht (wenn möglich)
- Geeignete Bewässerungsmethode anwenden
- Entsiegelung der Baumscheiben und angrenzender Flächen
- Qualitätsprozessdefinition und interdisziplinäre Anwendung
- Anwendung der Grundsätze:
- Potentiale zur Erreichung der strategischen Ziele nutzen
- Geschäftliche Rechtfertigung sicherstellen
- Anwendung eines Risiko-Management-Ansatzes
- Lernen aus Erfahrung
- Die natürliche Integrität eines Ortes respektieren (anerkennen und berücksichtigen)
Beispiele für Baumpflanzungen im Innenstadtbereich von Brandenburg an der Havel

Baumscheiben in der Geschwister-Scholl-Straße: Metallgitterplatten und Schotter bedecken den Kronenbereich der gepflanzten Bäume vollständig. Wildkräuter, wie der Kompass-Lattich, werden regelmäßig entfernt.

Die Freiherr-von-Thüngen-Straße nach der Sanierung: Die kleinen Baumscheiben wurden vollständig mit Kunstharz verschlossen. Die Stabilität der Rinde war an einem Baum nicht ausreichend. Der Riss ist auf dem Foto deutlich sichtbar. Neben Eisenplatten, Schotter und Pflastersteinen gehört Kunstharz zu den destruktivsten Materialien zur Baumscheibenversiegelung.


Im Rahmen einer Sanierung wurden im Uferpark an der Näthewinde Platanen gepflanzt. Die Baumscheiben wurden mit Stahl ummantelt, mit Schotter aufgefüllt und mit Mahonien bepflanzt. Der Stahl soll den Industriestandort symbolisieren. Welche Bedeutung die Vitalität der Bäume bei dieser Überlegung spielt, kann der Betrachter nur erahnen.

Eine versiegelte Baumscheibe am Brandenburger Hauptbahnhof. Bis zur Sanierung begrüßte in den Frühlingsmonaten ein Amselmännchen mit seinem Gesang die Reisenden auf dem Vorplatz. Mit dem Beseitigen der Grünfläche verloren die Amseln ihre Brutstätte.

Vor der Sanierung des Molkenmarktes fanden Schmetterlinge und andere Insekten Nahrung an den Skabiosen-Flockenblumen. Im Rahmen der Mitmach-BUGA wurden die Baumscheiben mit Kräutern bepflanzt.

Nach der Sanierung des Molkenmarktes: Die im Rahmen der Bürgerbeteiligung genannten Argumente für die Verwendung einheimischer Baumarten und für eine ökologische Gestaltung der Baumscheiben konnten die Verantwortlichen nicht überzeugen.